Brigitte Zieger: Everybody talks about the weather, …we don't


Vernissage: Freitag, 2. Mai 2014, 18:00 bis 22:00 Uhr
Ausstellung: bis 12. Juli 2014
verlängert bis 9. August
Sonderöffnungszeiten Berlin Gallery Weekend 2014: Samstag + Sonntag 11:00 bis 18:00 Uhr


Der Blick im Visier


Durch welche Attribute wird eine Frau gefährlich? Besitzt eine bewaffnete Frau in einer traditionell von männlichen Heldenfiguren bestimmten Welt den gleichen Gefährlichkeitsgrad wie ein bewaffneter Mann? Gelten für Frauen die gleichen Insignien der Macht und des Durchsetzungsvermögens wie für das andere Geschlecht? Mit ihren Serien “Women Are Different From Men” und “The Eight Most Wanted Women” bildet Brigitte Zieger zwei Panoramen gefährlicher Frauengestalten ab, die ab dem 2. Mai 2014 in der Heinz-Martin Weigand Galerie zu sehen sind.


Es sind Soldatinnen, Revolutionärinnen, Cowgirls und Amazonen, die Brigitte Zieger in ihrer Serie “Women Are Different From Men” (2011-) abbildet. Sie alle tragen Colts, Revolver oder Gewehre, können mit ihren Waffen über Tod oder Leben entscheiden. So sie denn scharf sind. Denn wirkt die Soldatin nicht eher verloren in ihrer schweren Sturmausrüstung, die ältlichen Hausfrauen nicht vielmehr absurd in ihrem verbissenen Versuch, das weitab vom Betrachter liegende Ziel ins Visier zu nehmen? Scharf scheinen hier einzig die auf sexy getrimmten Pin-Ups, die den Betrachter mit aufreizender Geste ebenso tief in ihr Dekolletee wie in die Mündungen ihrer Waffen blicken lassen. Zeigen die von Brigitte Zieger zusammengestellten und zu Druckgrafiken verarbeiteten Fotobeispiele bereits ein alles andere als bedrohliches Bild der “gefährlichen” Frau, überhöht die Künstlerin diesen Eindruck noch durch ihre Farbgestaltung. Alle Portraits wurden mit Lidschatten überarbeitet, dessen Ton die gesamte Farbgestaltung der Drucke bestimmt. Als ironischer Glanzpunkt dient Glitzerstaub, der das Weiblich-Anmutige und Betörend-Funkelnde eines femininen Klischees zum Ausdruck bringt.

Die Serie “The Eight Most Wanted Women” von 2012 bildet eine Referenz zu Andy Warhols “The Thirteen Most Wanted Men” von 1964. Warhol hatte die Polizeifotos der vom amerikanischen FBI meistgesuchten männlichen Verbrecher auf Siebdrucken vergrößert. Während hier jedoch die Drucktechnik sowie die verwendete grobe Rasterung die Emotionslosigkeit, ja Entmenschlichung der Gesuchten auf die Spitze trieb, dreht Brigitte Zieger das Verfahren quasi um: Die Fahndungsportraits der zu verurteilenden Frauen sind sorgfältig ausgeführte Zeichnungen, deren feminine Präsenz durch zart glänzenden Lidschatten und funkelnden Glitzerstaub hervorgelockt, beziehungsweise überhöht wird. Wenn auch nicht unbedingt schmeichelhaft, zeigen die Polizeifotos der weiblichen Gesuchten Gesichter, die mal attraktiv, mal unscheinbar, mal romantisch, mal provozierend wirken. Unterstützt durch die kosmetischen 'Verschönerungen' werden die Darstellungen der gefährlichen Straftäterinnen so zu traditionellen Frauenportraits umgedeutet. Verlieren sie damit ihre Brisanz? Werden sie so ihrer Macht als gesellschaftsgefährdende Individuen enthoben? So oder so: Für das FBI waren diese Frauen im höchsten Maße begehrenswert.


Übrigens: Unter den annähernd 500 vom FBI gesuchten Straftätern reihten sich über die Jahre hinweg nur acht Frauen ein; als erste 1968 die der Entführung beschuldigte Ruth Eiseman. Es folgten Frauen wie Angela Davis, Katherine Power, Susan Saxe und Donna Willmott, die aufgrund politisch motivierter Vergehen – im Kampf für die Rechte der US-amerikanischen Schwarzen oder als Protest gegen den Vietnamkrieg – gesucht wurden.


Sieht sich der Betrachter vor den Serien Brigitte Ziegers tatsächlich einer Reihe gefährlicher Frauen gegenüber? Oder fungiert hier vielmehr der Blick des Betrachters, der 'male gaze' auf das traditionelle Frauenbild, als Mittel der Bedrohung? Fragen, die Brigitte Zieger mit hintergründiger Ironie und einem subtilen Sinn für Geschlechterfallen aufzeigt.


Eine Frau mit Schusswaffe besitzt in der traditionellen, durch männliche Heldentaten geprägten Vorstellungswelt nicht denselben Gefährlichkeitsgrad.


Die deiktische Aktion der „gefährlichen Frau” lässt dem Betrachter keine Ruhe, der 

Ausgang ist jedoch niemals moralisierend. Die Stärke der Werke von Brigitte Zieger liegt darin, diese Ambivalenz zu kultivieren. Das Spiel verändert sich durch die Pervertierung der Systeme, die es auf den Plan ruft und dekonstruiert. Folglich existiert der ihm zugrunde liegende Feminismus nicht durch eine binäre männliche Opposition sondern durch die Analyse der Machtsysteme, der Akzeptanz der Rollenverteilung von Herrschenden und Beherrschten. Zieger hat dazu die Motive und Mittel der Kriegsführung ausgewählt. Ihre im Sommerhimmel schwebenden Banner mit Botschaften (Détournement, 2010) werden von Hubschraubern oder Flugzeugen, die an Kämpfen (zwischen regulären Streitkräften oder Terroristen) beteiligt sind, gezogen. Der unheilvolle Gebrauch des einen kontrastiert mit dem unterhaltsamen Bestimmungszweck des anderen, während die Botschaften, die berühmten Werken von Mario Merz, Valie Export oder Wolf Vostell entnommen sind, durch die militärisch-maritime Inszenierung verwandelt werden. I Am Still Alive, eine idiomatische Wendung von On Kawara, vermittelt eine ganz andere Perspektive, wenn sie von einem Hubschrauber gezogen wird. Ihre Interpretation ist dem Betrachter überlassen. Auch wenn die „Passionaria” die Pistole aus ihrem Unterrock zieht und auf den Betrachter zielt, bleibt ihre Motivation ungewiss. Ob Strafe oder Rache, es ist dem Betrachter überlassen, sich als Opfer zu betrachten, oder im Zweifelsfall zugunsten der Angreiferin zu entscheiden, ihr das Recht auf Notwehrrecht zuzugestehen.


Text: Regina Bärthel