Nathalie Grenzhaeuser Gezeiten


Pressetext


Ausstellungseröffnung: Freitag, den 1. Mai 2015, 18 – 21 Uhr
Dauer der Ausstellung: bis 11. Juli 2015
Sonderöffnungszeiten GALLERY WEEKEND: Samstag bis Montag 11 bis 19 Uhr 


Für die Heinz-Martin Weigand Gallery wird Nathalie Grenzhaeuser zwei geografisch sehr verschiedene Landschaftsräume in Dialog zueinander treten lassen. Sie wird den ersten Teil ihrer auf Kuba begonnen Arbeiten der Provinz Guantánamo zusammen mit Fotografien der Serie Pyramida, einer russischen Bergbausiedlung auf dem arktischen Inselarchipel Spitzbergens zeigen.


Nathalie Grenzhaeuser zieht es in Gegenden, die man auf den ersten Blick als Randzonen auf der gegenwärtigen geopolitischen Weltkarte bezeichnen könnte. Solch ein Ort ist die Insel Spitzbergen, die unter norwegischer Souveränität steht und sich im gleichnamigen Archipel nördlich des Polarkreises befindet. Drei Mal ist die Künstlerin dorthin gereist und hat bei ihrer letzten Reise 2009 vor allem Pyramida fotografiert, eine von Russland 1998 aufgegebene Kohlebergbausiedlung, die inzwischen als ghost town firmiert und via Internet virtuell zu begehen ist.
Eine andere für lange Zeit etwas abseits der politischen Aufmerksamkeit gelegene Insel ist Kuba. Der sozialistische Staat liegt im Archipel der Antillen in der Karibik. Hier haben sich Grenzhaeusers Beobachtungen 2013 vor allem auf die kubanische Provinz Guantánamo konzentriert, die oft in verkürzender Weise mit dem US- amerikanischen Gefangenenlager gleichgesetzt wird. Zu diesem, der Guantanamo Bay Naval Base, ist zivilen Personen der Zutritt jedoch verwehrt – auch dies eine Geisterstadt im übertragenen Sinn, die weltweit bekannteste vielleicht.

Die Auseinandersetzung mit beiden Orten folgt auf die Beschäftigung der Künstlerin mit architektonischen und industriellen Großprojekten, die aus hochgespannten Zielen resultieren, auf extreme Bedingungen reagieren und eine ihnen eigene hypertrophe Gestalt hervorbringen. Beispiele sind ihre Serien zur postmodernen Bürostadt La Défense im Großraum Paris (2001) und über Bergbauminen in der australischen Wüste (2008-2011). Bereits diese Zeugnisse des zivilisatorischen Prozesses erscheinen uns in Grenzhaeusers fotografischen Bildern trotz ihrer Monumentalität und technischen Überlegenheit seltsam fragil und fragwürdig. In den Serien Pyramida und La Marea wandeln (die Flut) ihre bildnerischen Welten in Räume der Leere und der Vergänglichkeit, in denen die Zeit stillzustehen scheint. Vor dem Hintergrund des globalen politischen und ökonomischen Wandels, der von zunehmender Rasanz bestimmt ist, wirken diese Randgebiete anachronistisch. Die Phase ihrer scheinbaren Ruhe nutzt die Künstlerin und sucht im bildlichen Vergleich nach Zusammenhängen und Kräften, die möglicherweise auf ihre Zukunft hindeuten.


Eine Gemeinsamkeit von Pyramida und Kuba liegt in ihrer sozialistischen Geschichte, die in Kuba bis in die Gegenwart reicht. In beiden Serien fungieren Lenin-Denkmäler als ideologische Megazeichen. Die wenigen weltweit verbliebenen Monumente vom Führer der russischen Oktoberrevolution erinnern – 25 Jahre nach dem Zusammenbruch des sozialistischen Gesellschaftssystems – an die politische Vision, durch Revolution und geänderte Machtverhältnisse Geschichte neu zu schreiben. Zugleich symbolisieren sie das Überlebte einer historischen Periode. Diesen gedanklichen Raum zwischen Utopie und deren Scheitern spannt Nathalie Grenzhaeuser bildnerisch auf, wenn sie die Leninbüste im verlorenen Profil auf leerem Platz vor der Kulisse des Bergpanoramas zeigt oder als markante felsähnliche Form, die Dauer symbolisiert und doch langsam verwittert.


Nathalie Grenzhaeuser ist 1969 in Stuttgart geboren und studierte an der Freien Kunstakademie in Freiburg und bei Hermann Nitsch an der Frankfurter Städelschule. Nach zahlreichen Stipendien folgten Lehraufträge u.A. an der Uni Mainz, am Victorian College of the Arts in Melbourne und der Hochschule der Bildenden Künste Saarbrücken. Grenzhaeuser lebt in Frankfurt und Berlin.