Eine Auseinandersetzung mit Albert Anker


Die Galerie Weigand zeigt in der Ausstellung Eine Auseinandersetzung mit Albert Anker einen Ausschnitt aus verschiedenen neuen Werkserien der Schweizer Künstlerin Chantal Michel.


Die Fotografien thematisieren das ländliche Leben im 19. Jahrhundert. In Anlehnung an die Gemälde des Berner Malers Albert Anker (1.4.1831 – 16.7.1910) inszeniert die Künstlerin ihre Person als zentrale Figur in bäuerlichen Stuben oder umgeben vom Panorama der Schweizer Alpen.


Hierfür schlüpft sie in unterschiedliche Geschlechterrollen und Altersgruppen und durchquert von Bild zu Bild einem Chamäleon gleich anskizzierte Räume in der Verkörperung alltäglicher Handlungen. Dabei ist der Grad zwischen präziser Drapierung und Ausleuchtung der Szenen einerseits, und der spielerisch interpretierten Freiheit der Künstlerin andererseits, beeindruckend. So kombiniert Chantal Michel in diesen neuen Serien einen real arrangierten Vordergrund mit einem gemalten Hintergrund, was an die gemalten Originale erinnert, als wollten sich die Fotografien einer eindeutigen zeitlichen Einordnung verwehren. Bei den Bildern, die im Innenraum angesiedelt sind verliert sich diese Grenze zwischen real gesetzter Person oder Gegenständen und gemalter Kulisse noch stärker, der Übergang ist irritierend fließend. Durch die Darstellung der Figuren in immer der gleichen Physis besitzen diese Fotografien in ihrer Reihung einen grotesken traumartigen Aspekt.


Eine scheinbar überraschende Wendung in der künstlerischen Arbeit Michels bildet die Serie der Stillleben, denn sie kommt erstmals ganz ohne Person aus. Die ursprünglichen Arrangements von Albert Anker erfahren hier eine raffinierte und subtile Reanimierung. Ganz in ihrer Manier interpretiert die Künstlerin die meisterlich komponierten Bilder neu, ersetzt beispielsweise einen Gegenstand durch einen anderen und schafft durch diese kleinen Eingriffe sowie die durch die Verbindung von realen und gemalten Anteilen im Bild eine ganz neue irritierende Wirkung, und bleibt sich somit auch ohne sich ganz treu.

Mit dieser Ausstellung präsentiert die Galerie Weigand einen Ausschnitt des letzten Arbeitszyklus, der im Schloss Kiesen im Schweizer Kanton Bern entstanden ist. Dieses Chateau stand seit 25 Jahren leer und wurde über ein Jahr von der Künstlerin bewohnt, eingerichtet, somit neu belebt, und war erstmals wieder öffentlich zugänglich durch die Veranstaltung von Ausstellungen, thematischen Diners und Performances. Chantal Michel schuf hier einen wunderbaren Dialog zwischen den Räumen, Gegenständen, Möbeln und ihrer künstlerischen Arbeitsweise.


Chantal Michel wurde 1968 in Bern geboren. Sie studierte von 1989-93 an der Fachklasse für Keramik SfG Bern und von 1994-98 an der Kunstakademie Karlsruhe bei Professor Harald Klingelhöller. Michel lebt in Thun und arbeitet in Thun und Bern.
Chantal Michel erhielt für Ihre Arbeit zahlreiche Preise und Auszeichnungen, u.a. 1994 das Aeschlimann-Corti-Stipendium, 1995 den Prix Saint-Gervais beim internationalen Videofestival Genf, 1997 den Förderpreis des Schweizer Bankvereins, 1998 den Förderpreis beim Videofestival Locarno. Michel hatte zahlreiche Ausstellungen im In- und Ausland.